01.06.2012 - Das schöne Allgäu

Das schöne Allgäu

»Martin Kern aus Buchenberg vermittelt Musik als Lebensfreude«

Ein geniales Konzept

Wenn eine zusammengefasste Definition von Engagement, Idealismus und Vielseitigkeit den Kern treffen soll, dann ist es der Kern, Martin Kern.
Der gebürtige Niederbayer studierte Sozialpädagogik in Verbindung mit Musik. Er entschied sich im Jahre 1980, als selbstständiger Musiklehrer zu arbeiten. Martin Kern, Vater von vier inzwischen erwachsenen Söhnen, lebt nun schon über drei Jahrzehnten mit seiner Frau in Buchenberg. Zuhause gibt er als selbständiger Musiklehrer Unterricht für Klarinette und diversen Saiteninstrumenten, wie Gitarre, Hackbrett und Zither.
Dies war sicherlich ein glücklicher Umstand für viele Menschen, aber ganz besonders wohl für zwei Mädels aus Buchenberg und Kempten, Katja lebt in einer Wohngruppe und Wird von der Lebenshilfe betreut. Agnes wohnt Zu Hause. Beide arbeiten in den Allgäuer Werkstätten in Kempten und sind inzwischen 27 und 25 Jahre alt. Sie musizieren bei Martin Kern schon von Jugend an, haben Spaß und freuen sich noch immer auf den wöchentlichen Unterricht in Buchenberg. Katja ist zwischenzeitlich auf das Hackbrett umgestiegen, Agnes blieb dem KernKlangbrett treu.

Lockeres Zusammenspiel
Martin Kern lädt mich ein, an einer dieser Stunden teilzunehmen. Ich bin schon vor Ort, als die beiden jungen Frauen zu ihrer Musikstunde eintreffen. Sie sind müde und beladen mit all dem Frust der alltäglichen Arbeit, sind aber dennoch gleich konzentriert bei der Sache. Mit seiner lockeren und unkomplizierten Art zaubert Martin Kern alsbald ein Lächeln ins Gesicht der Mädchen und begleitet sie geduldig mit seiner Gitarre. Schon nach wenigen Minuten verlieren sie die Anspannung des Tages und ich bin fasziniert vom Zusammenspiel der drei Instrumente und vor allem der drei unterschiedlichen Charaktere. Glücklich und zufrieden gehen sie wieder nach Hause und freuen sich schon jetzt auf die nächste Woche. Der Funke, dass Musik die Welt bewegen kann und die Menschen verbindet, ist hier und heute auf mich übergesprungen. Ich bin Martin Kern und auch den beiden jungen Frauen dankbar für diesen unvergesslichen Abend, denn alle drei haben einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen.

Berührende Erlebnisse
Danach habe ich Gelegenheit für ein persönliches Gespräch mit Martin Kern und erfahre Näheres über seine Arbeit und seine Ideen. Ich frage ihn über Menschen oder Begebenheiten, welche ihm besonders im Gedächtnis geblieben sind. Und wie er mir so gegenüber sitzt und mit leuchtenden Augen ein paar Anekdoten darüber erzählt, ist eine innere Zufriedenheit zu spüren. Dieser Mann ruht in sich selbst und hat damals mit dem Schritt in die Selbständigkeit durchaus die richtige Entscheidung getroffen.
Eines Tages rief ihn eine ältere Dame an und bedankte sich von ganzem Herzen bei ihm mit den Worten: „Wissen Sie, dass Sie mich mit Ihrem KernKlangbrett glücklich gemacht haben?“ Er fragte nach, wie er sie denn glück ich gemacht haben könne, er kenne sie doch gar nicht. Daraufhin erzählte die Frau ihm, dass die Musik sie ihr ganzes Leben begleitete und ihre große Leidenschaft war, sie aber eines Tages bei einem Unfall einen Arm verloren hatte und somit auch zwangsläufig ihren Lebensinhalt. Sie wurde auf das Kernklangbrett aufmerksam und konnte dank dieser genialen Erfindung mit nur einem Arm wieder Musik machen. Dadurch, so erzählte sie, hatte sie wieder Lebensqualität und Zuversicht gewonnen und sie fühlte sich wieder als Mensch. Er fühlt sich, so vermittelt er mir authentisch, als ein glücklicher, zufriedener und erfüllter Mensch und wenn seine Schüler nach einer Musikstunde fröhlich, lachend und gänzlich vom Stress befreit nach Hause gehen, so hat er sein Ziel erreicht.

Das KernKlangbrett
Die Idee zum Kernklangbrett kam Martin Kern vor ca. 10 Jahren während seiner Arbeit in den verschiedenen Kinderhäusern. Er beobachtete im Unterricht am Hackbrett immer wieder die Schwierigkeiten der Kinder, mit den Schlegeln die Entfernungen der Saiten richtig einzuschätzen und die korrekten Noten zu treffen. so konstruierte er ein Brett, auf dem die Saiten einen Abstand von 15 mm zueinander haben, dadurch bequem und sicher zu greifen sind. Das Konzept der Musikschablonen existiert zwar schon seit ca. 100 Jahren — diese wurden damals für die Akkordzither entwickelt aber solch eine Idee muss ja erst einmal entsprechend umgesetzt werden. Zusammen mit diesen Schablonen ist das KernKlangbrett ein geniales Instrument für alle Menschen, ob groß oder klein, ob jung oder alt, ob geschickt oder in der Feinmotorik beeinträchtigt; ein ideales Instrument, bestens einsatzfähig im therapeutischen Bereich, wie auch in Kindergärten oder Seniorenheimen und in der musikalischen Früherziehung.

Selbstversuch
Ich selbst als gänzlich unmusikalische Person, die auch keine Noten lesen kann, sehe mich total begeistert von dieser Erfindung. Martin Kern stellte während des Unterrichts einfach mal ein Klangbrett vor mich hin, drückte mir ein Musikplättchen, ein sog. Plektrum, in die Hand und forderte mich auf, mitzuspielen — und es machte unglaublichen Spaß. Während er mir einiges darüber erzählt und mir Vorentwürfe für mehrstimmige Musikstücke zeigt bekomme ich eine Idee, was hier noch alles möglich ist. Martin Kern bietet bislang ca. zweimal im Jahr einen Baukurs für sein KernKlangbrett an. Bei entsprechender Nachfrage findet er dafür sicher ich noch einen zusätzlichen Termin. Näheres hierzu auf seiner Homepage www.kernklangbrett.de.
Neben seiner Tätigkeit als freiberuflicher Musiklehrer und Musik-Pädagoge in Kinderhäusern arbeitet Martin Kern u.a. auch für den Bayerischen Rundfunk, ist Komponist, Instrumentenbauer, hält Seminare und Konzerte ab. Besonders angetan hat es ihm dabei die alpenländische Blasmusik. Inspiriert durch das Forschen in a ten Notenschriften, welche teils bis ins früheste 19. Jahrhundert zurückgehen, hat er schon unzählige Notenhefte geschrieben und CDs aufgenommen. Ferner war er Gitarrist bei dem Scherrzither-Spieler Max Schraudolph. Noch zu seinen Lebzeiten (Schraudolph verstarb 1999) überließ er seinem musikalischen Freund seine beiden alten Zithern, damit sie nicht ganz von der Bildfläche verschwinden. Diesem Geschenk und dem Zitherspieler selbst huldigte Martin Kern insofern, als er ein Notenheft über Max Schraudolph und seine Werke geschrieben und veröffentlicht hat.

Völkerverbindende Musik
Sein musikalischer Wirkungskreis findet nicht nur in Deutschland statt, sondern erstreckt sich über viele europäische, eher nordische Länder wie Schottland, Irland oder Skandinavien. So schrieb er unter anderem 2006 eine Suite mit dem Titel „Memories of Scotland" (als Notenheft und CD zu erwerben) oder kreierte auch eine Notenausgabe über Südengland mit dem klangvollen Namen „Lovely Songs Of Cornwall“. Er bietet sogar Instrumentenbaukurse auf der Insel Elba an.
Zum Ende hin zeigt er mir, wie so ein Musikstück entstehen kann. Dafür macht er sich zunächst ein paar Notizen und überarbeitet sie am Computer. Er lässt mich hineinhören in die noch gar nicht vollendete Komposition, die er für sein Ensemble „Allgäuer Bauernmusik" schreibt, welche aus zwei Flügelhörnern, zwei Klarinetten, einem Bariton, zwei Posaunen und einer Tuba besteht. Es klingt so lebhaft, fröhlich und beschwingt. Die Gruppe hat feste Termine für Auftritte Z.B. im Hofbräuhaus in München und auf diversen Musikveranstaltungen. Auch wurde Martin Kern mit seinen Söhnen zusammen zum Jubiläum „40 Jahre ORF Vorarlberg" nach Dornbirn eingeladen.

Idealist durch und durch
Nach dieser Flut an Informationen über sein Werken und seine Intentionen habe ich das Gefühl, egal wie viel ich hier über ihn berichte, dass ich doch irgendwie die Hälfte vergessen habe. Meine ganze Hochachtung und viel Lob gebühren diesem geduldigen und sympathischen Idealisten, der hier nicht nur im musikalischen Bereich so vieles leistet. Ich habe mich während unseres Gespräches immer wieder heimlich kopfschüttelnd gefragt, wie viele Stunden so ein Tag im Leben des Martin Kern wohl haben mag oder haben muss, nur 24 können da unmöglich genug sein...

Von Brigitte Weirauch


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