16.02.2018 - Allgäuer Zeitung

Allgäuer Zeitung

»Spaß mit 22 Saiten«

Frauen aus Wiggensbach, Kempten und Altusried haben ihre Liebe zum Klangbrett entdeckt. Das Instrument ist leicht zu erlernen. Ihr gemeinsames Musizieren erfreut auch Senioren

Am frühen Abend ist schon alles ruhig im Pflegeheim Kapellengarten in Wiggensbach. Die Gänge sind leicht abgedunkelt und es ist still auf dem Weg in einen kleinen Raum mit Küche, in dem sich fünf bis zehn Frauen aus Wiggensbach und Umgebung regelmäßig zum Musizieren treffen. Die munteren Frauen dürfen als Gäste den Raum für ihre Proben nutzen. Alle haben fünf gleiche Instrumente ausgepackt. Auf dem Tisch oder etwas abgerückt auf einem Holzgestell stehen – leicht zum Spieler geneigt – Saiteninstrumente aus hellem Buchenholz. Ihre Trapezform und die Saitenbespannung gleichen der eines Hackbretts.
Jede Saite wird nicht geschlagen, sondern mit den Fingern gezupft. Beim „Walzer aus dem Bregenzerwald“, den die Frauen gemeinsam anstimmen, fällt nicht nur die Einstimmigkeit auf, es überrascht vor allem die Präzision und Einheitlichkeit des Spiels. Obwohl Helene Sepp erst seit zwei Monaten dabei ist, klappt das Zusammenspiel mit den Erfahrenen perfekt. Das liegt an einer Besonderheit dieses Instruments, das in C-Dur gestimmt ist. Ein unter die Saiten eingeschobenes Blatt zeigt die Note und ihren Wert genau unter der Saite an, die gespielt werden soll. Große Bögen führen den Blick an die Stelle zurück, die wiederholt werden soll. Das erleichtert das gemeinsame Spiel ungemein. „So kommt auch ein ungeübter Spieler rasch zu äußerst befriedigenden Ergebnissen“, erzählt Christa Unglert, die seit drei Jahren mit dem Klangbrett musiziert.
Entwickelt hat das Instrument der Musikpädagoge Martin Kern aus Buchenberg. Seine Idee dahinter: Kinder auf eine wenig mühsame Weise möglichst früh an die Musik heranführen. Aber auch Erwachsene und Senioren können damit sehr lange den Spaß am Musizieren pflegen. „Im Rentenalter will man nicht mehr so viel üben. Dann ist das Klangbrett schon eine gute Sache. Man ist relativ schnell drin“, sagt Christa Unglert. Gemeinsam mit Barbara Pohl tritt sie alle zwei Wochen im Aufenthaltsraum des Senioren- und Pflegeheims in Wiggensbach auf. „Die Bewohner sind begeistert von dem angenehmen Klang und man kann sich dabei noch gut unterhalten. Unsere Musik wirbelt nicht auf, sondern beruhigt“, sagt die Jüngste im Kreis, Angela Kaspar, die bei Feiern und Festen mitspielt. Die Hits an diesen Abenden sind der „Schneewalzer“ oder „Hoch auf dem gelben Wagen“. Besonders „Tief im Böhmerwald“ komme gut an und wecke bei Hausbewohnern Erinnerungen. Auch die fünf Frauen haben sichtlich Spaß an den für ihr Instrument adaptierten Klassikern. Diese Freude rührt auch daher, weil sie eine enge Beziehung zu ihrem Klangbrett haben: Die Frauen haben nämlich ihr Instrument selbst zusammengebaut. Unter Anleitung von Martin Kern setzten sie vorgefertigte Bauteile zusammen. Sie verleimten, schliffen und wachsten sie, und befestigten die Stimmnägel, zogen die 22 Metallsaiten auf und stimmten sie. Der chromatische Tonumfang eines Klangbretts reicht von c1 bis a2 und kann mit Hilfe eines elektronischen Stimmgeräts gestimmt werden.
Ehrgeizig sind die Frauen auch beim Musizieren: Sie wollen den Stücken noch mehr Feinschliff geben. Betonungen und das richtige Tempo müssen gestaltet werden. Wenn das auch nicht immer in allen Passagen gelingt, nehmen sie es mit Humor. „Jedenfalls sind wir miteinander fertig geworden!“, sagt Angela Kaspar am Ende eines Stückes. Und das löst in der Runde beherztes Lachen aus.

Von Harald Holstein


16.02.2018 - Allgäuer Zeitung