Na ja, nicht gleich ein Meister. Aber bemerkenswert ist der Kurs schon, an dem unsere Reporterin teilnahm. Bei Martin Kern spielt man ein Instrument ohne musikalische Vorkenntnisse.
Ein Instrument, das sich komplett ohne Vorkenntnisse spielen lässt und auf dem schon beim ersten Versuch eine Melodie entsteht – selbst bei musikalischen Neulingen. So etwas soll es geben? Martin Kern, Musikpädagoge, Komponist und Musiker, hat vor gut 15 Jahren ein solches Instrument entwickelt. Seit über 30 Jahren ist Martin Kern im Allgäu unterwegs und musiziert mit Kindern. Bei seinen Besuchen brachte er immer ein Hackbrett zum Musizieren mit. Die Mädchen und Buben haben sich rasch von der Musik begeistern und motivieren lassen. Haben dann allerdings genauso schnell wieder aufgeben. Sie hatten Schwierigkeiten, die feinen Saiten mit dem Filzschlegel zu treffen. Diese Frustration ließ bei Kern jene Idee entstehen, ein neues, ähnliches Instrument zu entwickeln. Das war vor 15 Jahren, die Geburtsstunde des KernKlangbretts. Der Unterschied zum Hackbrett besteht vor allem in der Spielweise: Anstelle eines Filzschlegels werden die Saiten mit den Fingern gezupft.
Es ist ein wenig kühl in der Schreinerei, in der in den nächsten acht Stunden mit Unterstützung von Martin Kern und seinem Sohn David sowie Schreiner Helmut Mayr ein fertiges Instrument entstehen wird. Spätestens wenn es zum Schleifen komme, würde uns warm werden, lässt uns Kern wissen. Die Einzelteile für den Instrumentenkorpus liegen auf den Werkzeugbänken vor uns: Bretter in verschiedenen Längen und unterschiedlicher Dicke, mit Einkerbungen und ohne. Ein Eimer mit Leim, ein Pinsel und Hammer sind meine ersten Kumpane. Erst vorsichtig, dann etwas großzügiger streiche ich den Leim auf die vier dicken Holzteilen, die den Rahmen bilden. Noch einmal schwinge ich meinen Leimpinsel und lege anschließend zwei dünne Holzplatten oben und unten auf den Rahmen. Schon ist der erste Teil geschafft: der Korpus liegt vor mir. Lange Zeit kann ich mein unfertiges Meisterwerk jedoch nicht bewundern. Denn es muss zum Trocknen zwischen viele Schraubstöcke gespannt werden. Derweil geht es in der Schreinerei fleißig weiter. Um einen Vorgeschmack auf unser Instrument zu bekommen, hat Kern einige fertige Exemplare mitgebracht. Zunächst etwas zaghaft zupfe ich die Saiten, und doch bekomme ich schnell Spaß daran und spiele in kürzester Zeit einige Lieder. Von „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ bis hin zu Alpenländischer Volksmusik hat Kern für jeden Geschmack Noten dabei. Schüchtern steht auch Kurskollegin Petra vor dem Klangbrett. Sie habe noch nie in ihrem Leben ein Instrument gespielt, gesteht sie, geschweige denn ein Gefühl fürs Spielen. Doch auch sie feiert nach kurzer Zeit am Klangbrett freudestrahlend ihr erstes Erfolgserlebnis.
Weg von den klingenden Melodien der Saiten geht es für uns zum weniger harmonischen Kreischen der Säge. Die überstehenden Holzreste des Korpus müssen weg. Mayr übernimmt diese Aufgabe für uns. Nicht, dass am Ende neben Holzresten auch noch diverse Fingerkuppen liegen. Dann müssen wir wieder leimen. Mittlerweile verteile ich wie ein Profi die klebrige Flüssigkeit auf dem Holz und lege Einzelteile darauf. Die nächste Trockenperiode verbringen wir damit, uns beim Mittagessen zu stärken. Denn die wirklich anstrengenden Aufgaben stehen uns noch bevor. So kehren wir mit vollem Magen zurück an die Werkbank und bekommen eine Säge in die Hand gedrückt: weitere überstehende Holzstücke müssen weg. Ich setze die Säge an, ziehe und schiebe sie hin und her. In einen gleichmäßigen Rhythmus komme ich allerdings nicht, und das Sägeblatt verhakt sich immer wieder im Holz. Mein Taktgefühl liegt eindeutig in der Musik – nicht im Handwerk. Mit einem Hobel wird hier und dort noch etwas nachgebessert, dann geht es ans Schleifen. Mit einem von Schmirgelpapier umwickelten Block bewaffnet, mache ich mich daran, die rauen Oberfl ächen zu glätten. Auch jene Kanten, an denen viele kleine Spreißel abstehen, schleifen wir. Tatsächlich wird mir langsam warm, wie Kern es zu Beginn vorhergesagt hat. Das Holz muss gut vorbereitet sein, bevor wir ein spezielles Öl darauf verteilen. Das Öl bringe nicht nur die Holzmusterung zur Geltung, sondern schütze auch unser Instrument, erklärt David Kern. Ich komme richtig ins Schwitzen, dieses Mal allerdings nicht wegen der Anstrengung, sondern vor Angst. Ein Bauteil müsse noch zurecht gesägt werden. Zwar nicht an der großen und kreischenden Säge, sondern an einer kleinen Stichsäge. Aber der eine oder andere Schreiner habe schon seine Finger an dem Werkzeug verloren, erzählt Mayr und grinst verschmitzt. Hochkonzentriert schreite ich zum scharfen Sägeblatt, hole tief Luft und, schwuppdiwupp, ist das Holzstück entzwei gesägt.
Erleichtert und ein kleinwenig stolz kehre ich zu meinem fast fertigen Klangbrett zurück. In der Schlussphase geht es darum, unserem Instrument endlich seinen Klang zu geben. 22 Saiten von den Tönen C1 bis A2 warten darauf, eingespannt zu werden. Zuvor habe ich kleine Stifte mit einem Loch in das Holz geschraubt und auf der gegenüberliegenden Seite kleine Nägel hineingehämmert. Am Ende jeder Saite ist eine Schlaufe, die ich in den Nagel einhänge. Mit Fingerspitzengefühl wird das andere Ende in das Öhr gefädelt. Dann wird‘s knifflig. Der Stift muss weiter in das Holz gedreht werden, zum Spannen der Saite. Dreht man zu weit, reißt sie, dreht man zu wenig, kommt keine Spannung auf. Ergo: Es erklingt kein Ton. Schließlich kommt der Moment, auf den ich den ganzen Tag hingearbeitet habe. Fertig geklebt, geschliffen, geölt und gestimmt liegt es vor mir: mein eigenes, selbstgebautes KernKlangbrett. Dank der fachkundigen Anleitung und Hilfe der drei Experten sind keine Verletzungen zu vermelden, sodass ich mich ans Zupfen der Saiten mache. Und siehe da – es zupft sich sehr leicht. Meine Zuhörer erkennen bereits bei den ersten Versuchen, um welche Lieder es sich handelt. Ziel erreicht!
Text: Maricci King
Fotos: Maricci King, Allgäuer Zeitungsverlag GmbH